1882 bis 1914

Von der Gründung bis 1914

 

Am 21. August 1882 wurde durch 7 Bürger des Ortes Großpostwitz der "Männergesangverein zu Großpostwitz" gegründet. Gründungsort war das Lokal "Gasthaus Sommer".

 

Aus der Gründungsurkunde vom 21.08.1882 ist zu lesen:

 

Bei der am heutigen Tage behufs Bildung eines Gesang=Vereins im oberen Locale des Restaurateur – und – Gemeindevorstandes August Sommer abgehaltenen Versammlung wurde solcher unter dem Namen

 

" Männer=Gesangverein zu Groß=Postwitz "

 

ins Leben ge­rufen und gleichzeitig zu den erforderlichen Vorstandsmitgliederwahlen geschritten. Als solche wurden nach Abstimmung durch Stimmzettel nachstehende Herren, sämtlich mit großer Majorität gewählt, und zwar:

 

als VorstandHerr Weichenwärter C. Wustmann

als VizevorstandHerr Bildhauer F. Otto

als CassiererHerr Hilfsweichenwärter M. Gro

als ArchivarHerr Aufwärter M. Wünsche

als SchriftführerHerr Tischler J. Paul

 

Die Bereitwilligkeit des Herrn Gesang- und Musiklehrers R. Thoma aus Wilthen, die Gesangsstunden bis auf weiteres zu führen mit dem Honorar pro Abend von l,-RM wurde von sämtlichen Mitgliedern mit Dank angenommen."

 

So steht es verzeichnet in der Geburtsurkunde unseres Vereins, die leider nicht mehr auffindbar ist. Nur gut, dass in früheren Jahren aus Jubiläumsanlässen so ausgiebig aus ihr zitiert wurde sie uns noch heute damit indirekt einsehbar erscheint.

 

Schon damals wurde der Dienstag für die Durchführung der wöchentlichen Übungsstunden festgelegt.

 

Man begann im Gründungslokal, in "Sommers Restaurant", dessen Wirt August Sommer bis 1894 aktiv im Verein mitsang. Das Lokal lag auf dem heutigen Hausgrundstück Pollack, Bergstr.3. Freie Benutzung des Lokals, sowie des Pianos, freie Beleuchtung und Heizung während der Singestunden wurden dem Verein zugestanden.

 

Bis er innerlich und äußerlich gefestigt die künftigen Jahre überstehen konnte, waren viele Hemmnisse aus dem Weg zu räumen. Am 8.11.1882 legte der 1. Liedermeister wegen der winterlichen Beschwerlichkeiten der Fahrt von und nach Wilthen sein Amt nieder.

Am 29.12 1882 hatte es der Vorstand bereits satt. In einer durch Zirkular einberufenen Hauptversammlung wählte man die Herren Friedrich Otto und Herrmann Brauer an die leitenden Stellen.

 

Im Juni 1883 ließ sich der 2. Dirigent, Lehrer Schreiber, "bis auf weiteres von den Gesangsübungen dispensieren ". Herr Lehrer Rötschke aus Bautzen sprang in die Bresche und wurde schon am 24.4.1884 für seine ausgezeichnete Leistung und hingebende Aufopferung zum Ehrenmitglied ernannt. In diesem Zeitmaß etwa machte der Verein bis 1889 Geschichte. Die Vorstandsmitglieder wechselten, die Liedermeister gingen oder wurden gegangen. Die Sänger traten ein, meldeten sich passiv, traten für kurze Zeit aus, um sich dann wieder anzumelden. Kurz gesagt es ging zu wie in einem Taubenschlag. So ist es schon erstaunlich, dass bereits im August 1885 im Garten des Ortsrichters Lehmann ein Kreissängerfest abgehalten werden konnte.

 

1889 auf dem Wilthener Kreissängertag trat der Verein erstmalig mit dem Einzelchor " Heut' ist heut' " von Dieck an die Öffentlichkeit. Höchstwahrscheinlich war in den Jahren vorher Massenchorsingen dominant bzw. man musste nicht unbedingt mit Enzelbeiträgen hervortreten. Bis in die 30iger Jahre des 20. Jahrhunderts begann das neue Finanz- und Sängerjahr für die Sangesbrüder immer am 1. Sep­tember und endete am 31. August des darauffolgenden Jahres, so das Gründungsdatum ständig im Gedächtnis. Die jährlichen Jahreshauptversammlungen, in den Jahren bis 1914 auch Generalversammlungen genannt, fanden entweder im Verlaufe des September oder Oktober des laufenden Jahres statt.

 

Sie begannen gewöhnlich ca. 20.30 Uhr und endeten gegen 23.00 Uhr. Sie hatten einen gleichbleibenden Ablauf und fanden immer im Vereinslokal statt.

 

So begrüßte der Vorstandsvorsitzende die Mitglieder bzw. seine Sangesbrüder. Ganz genau geht das aus dem Protokollbuch nicht hervor. Denn der Verein hatte immer mehr passive als aktive Sänger in seinen Reihen. Sie bezahlten ebenfalls ihren Mitgliedsbeitrag, der bei ca. 20 – 30 Pf. monatlich lag. So unterstützten sie den Verein finanziell und wirkten als seine Sponsoren. Nach dem Verlesen des Prokollbuches und dessen Bestätigung durch die Versammlung wurde der Kassenstand bekannt gegeben und ebenfalls bestätigt. Die Vereinskasse und das Archiv wurden immer auf einer Vorstandssitzung vor der Generalversammlung geprüft und Unregelmäßigkeiten festgehalten.

 

So wurde von 1900 – 1904 das Fehlen von insgesamt 20 Bundesliederbüchern konstatiert, die bei Sängertreffen vergessen worden waren und anderen Vereinen als willkommene Bücherspende dienten.

 

Weiterhin wurde regelmäßig beschlossen, bestimmte Summen aus der Vereinskasse auf der Sparkasse verzinsbar anzulegen, um einen finanziellen Rückenhalt zu haben. Auch das jährlich nach der Generalversammlung im November/Dezember stattfindende Stiftungsfest

( Gründungsfest ) wurde beraten, organisatorische Details wie Höhe des Eintrittspreises, Musikkapelle, einzuladende Gäste etc. geklärt.

 

Bei größeren Festen wie der Fahnenweihe 1899, dem Kreissängertag 1903 bzw. dem 25. Stiftungsfest 1907 wurden Vergnügungskomitees bestimmt, die ausgewählte Aufgaben zu erledigen hatten.

 

1903 waren bei 33 Sängern nur 14 zur Generalversammlung gekommen

1905 war sogar wegen zu schwacher Beteiligung kein Beschluss möglich. Aber ansonsten beteiligten sich die Sangesbrüder zahlreich an der für sie wichtigsten Versammlung des Jahres.

Bis 1912 wurden diese Versammlungen per Zirkular, also Rundschreiben, einberufen.

Am 22.10.12 machte Sbr. Schneider, er war übrigens ein Briefträger, den Vorschlag, dies künftig per Postkarte vorzunehmen. Es wurden danach postwendend 1000 Postkarten geordert. Ob er am Verkaufserlös beteiligt wurde, ist nicht bekannt. Aber durch das Austragen der Karten war ihm zusätzliche Arbeit gesichert. Auch andere wichtige Beschlüsse wurden gefasst. 1898 beschloss man, eine Fahne anzuschaffen, 1900 dem Vereinswirt wegen der hohen Kohlepreise eine Heizungszulage zu bewilligen, 1911 die Beiträge um 5 Pfennig zu erhöhen, damit sich die Kasse erholen konnte, 1914 nur noch bei ehemals aktiven Sängern als Grabschmuck einen Lorbeerkranz mit Schleife zu stiften. Ehemals passive Sänger mussten mit einem Lorbeer-Kranz zufrieden sein.

 

Im November 1894 verstarb der Wirt des Vereinslokals und aktiver Sänger August Sommer. In seinem Lokal " Sommers Restaurant " auf der Bergstrasse sang man seit der Gründungszeit.

 

Daraufhin wurden die Singestunden kurzfristig in das " Forsthaus " verlegt. Da Frau Sommer die Gaststätte ihres Mannes weiterführte, kehrten die Sänger bis zum Mai 1896 in die ihnen gewohnte Umgebung zurück.

 

Als auch sie im Mai 1896 verstarb, wurde eine neue Lösung nötig. Man traf sich in " Rösicks Restaurant ", dem späteren " Alten Amtshof ", und diskutierte über einen nötigen Wechsel des Vereinslokals.

 

Herr Rösick erklärte sich bereit, den Verein unter gleichen Bedingungen wie im alten Vereinslokale aufzunehmen. Der Umzug erfolgte in der Pfingstwoche 1896.

Am 19.6.1896 fand die erste Singestunde in " Rösicks Restaurant " statt. Es wurde eine lange und erfolgreiche Zeit. Der Wirt empfing die Sänger zünftig mit einem " schönen Trunke ". So manches Fass Bier sollte hier noch auslaufen. Im neuen Vereinslokale verbrachten die Sänger viele schöne und gemütliche Stunden. Aber auch Tiefpunkte waren zu verkraften. So rügte der vielgelobte Kantor Schmole am 11.1.1898 den säumigen Besuch der Singestunden in der letzten Zeit.

 

Sein Vorschlag war es, dass die Sangesbrüder, die an Konzertaufführungen teilnehmen wollten, sich durch Ehrenwort verpflichten sollten, die Singestunden regelmäßig zu besuchen. Er wollte sich bei Auftritten mit dem Verein nicht blamieren.

Vom 4.12.1909 bis zum 25.4.1910 konnten keine Singestunden durchgeführt werden, da kein Dirigent vorhanden war. Erst der von Crostau nach Großpostwitz umgezogene Kantor Ulbricht brachte den Verein wieder auf Schwung.

 

Eine Haupteinnahmequelle für den Kassierer des Vereins waren die im Spätherbst stattfindenden Stiftungsfeste, die nach genau festgelegtem Zeremoniell gefeiert wurden und immer auf dem Saal des " Forsthauses " einen kulturellen Höhepunkt für die Bevölkerung unseres Dorfes bildeten.

 

Sie wurden mit einer Festrede eröffnet, der der Gesang des Vereins folgte. Anschließend wurde getanzt, gewöhnlich bis in die frühen Morgenstunden hinein.

1896 wurde das Programm durch das Theaterstück " Das Wundermädchen aus dem Alpenlande " bereichert, das stürmische Heiterkeit erzeugte.

1904 wurden auch Sketche aufgeführt: "Was die Zeitung bringt " und " Wir heiraten nicht ". Auch sie erwiesen sich als große Renner. Folgende Tatsache beweist uns, dass es auch schon früher Probleme mit der Organisation gab.

 

Das 10. Stiftungsfest sollte am 3o.ll.92 festlich begangen werden. Der Saal vom " Forsthaus " war aber an diesem Abend schon belegt. Die Hainitzer FFW war schneller gewesen. So fand das 10. Stiftungsfest erst am 12.2.1893 statt. Es war sehr schlechtes Wetter und der Besuch nur mäßig. Daher wurde ein Tanzkränzchen durchgeführt, d.h. in den Tanzpausen wurde gesungen. Der dem Kassierer damals vom Herzen fallende Stein " Gott sei Dank kein Minus!" ist noch heute nachvollziehbar.

 

Schon von Beginn an galt es das Vereinsleben so zu gestalten, dass sich die Sänger in ihrem Verein wohlfühlten, von ihren " besseren " Hälften problemlos grünes Licht für den Besuch der Singestunde bekamen. Deshalb spielten Veranstaltungen, die der Gemütlichkeit, dem Vereinszusammenhalt und der Verbindung zu den Familien dienten, schon immer eine große Rolle. So fanden, allerdings nicht regelmäßig, Weihnachtsfeiern mit Freibier und Christbaum-Versteigerungen statt. Interessanterweise lagen sie terminlich immer Ende Dezember bzw. Anfang Januar. Der Dirigent erhielt ein Geschenk z.B. 1896 einen Linoleumteppich und der Vorstandsvorsitzende 100 Zigarren. Sehr gemütlich fand man auch die jährlichen Wanderungen gemeinsam mit den MGV Wilthen und Kirschau auf den Mönchswalder Berg. Mit Familienangehörigen war man zum Bieleboh, auf den Czorneboh und zur Hohwaldschenke sowie zum Valtenberg unterwegs. Damals konnte man ja auch noch die Eisenbahn z.B. nach Niederneukirch, benutzen.

Ab 1901 fanden auch jährliche Schlachtfeste im Vereinslokal statt, die sich großer Beliebtheit erfreuten, auch bei den Sängerfrauen.

Familienabende mit Theateraufführungen, Gesang und Tanz waren bei den die Geselligkeit liebenden Bürgern in unserem Ort sehr beliebt. Wenn man dabei durch eine kleine Spende Notleidenden helfen konnte, tat man das auch früher schon gern. So diente der Reinerlös des Familienabends vom 22.8.97 zum Besten der " Wassercalamitosen " – der Geschädigten des großen Spreehochwassers vom Sommer 1897. Ca. 400 Personen waren zu einem Eintrittspreis von 40 Pf. anwesend, " der Mildtätigkeit waren keine Grenzen gesetzt ", man konnte also durchaus auch mehr bezahlen. Auch unser Verein opferte 90,- RM aus seiner Kasse für die vom Hochwasser Geschädigten, das waren über 50% des aktuellen Kassenbestandes.

Unser MGV war fest in den Oberlausitzer Sängerbund integriert, erst in dessen 7. Kreis, ab 1894 in den 4. Kreis.

 

Regelmäßig wurde an Kreissängertagen, nach l899 mit " fliegender Fahne ", teilgenommen.

Man musste damals zu diesen Veranstaltungen nicht sehr weit fahren. Denn um Großpostwitz herum existierten viele MGV, die als Gastgeber für diese Sängertreffen zur Verfügung standen und es als Ehre auffassten sie zu zelebrieren. In Kirschau, Wilthen, Crostau, Beiersdorf, Taubenheim, Schirgiswalde, Schönbach, Oppach und Neusalza gab es ausreichend sangesfreudige Männer.

 

Gern nahm man auch an Bundesgesangsfesten in Bischofswerda, Großschönau, Neugersdorf und Löbau teil. Das 1913 in Bautzen stattfinden sollende Fest fiel leider aus. Auch die Deputiertenversammlungen des Sängerbundes der Oberlausitz wurden regelmäßig von unseren Sangesbrüdern besucht, um stets über die aktuelle Entwicklung informiert zu sein. Unser Gesangverein war ein Mosaikstein des in Großpostwitz vorhandenen Vereinslebens. Logischerweise hatte man deshalb zu allen anderen Vereinen einen guten Draht und war mit fröhlichem Gesang bei deren Veranstaltungen gern gesehen. Das betraf den königlich sächsischen Militärverein, die FFw, den Radfahrverein " Saxonia " und auch den Deutschen Männerverein.

 

In das gesellschaftliche Leben der Kaiserzeit war unser Verein fest integriert. Man sang am 25.12. zur Christnacht in der Großpostwitzer Kirche, war am 31.3.1895 am Festkommers zu Ehren des 80. Geburtstages des " Altreichskanzlers Sr. Durchlaucht Fürst Bismarck " beteiligt, sang im Rahmen des 25. Gründungs-festes der Wiedererrichtung des Deutschen Reiches am 2.5.1895 im Programm mit, gestaltete gemeinsam mit dem Militärverein öffentliche Geburtstagsfeiern des sächsischen Königs Friedrich August.